Die "Kreuzelschreiber"

Junge Bühne – Laienspieler im „Kaffeebaum“

ein Beitrag von Lorenz Uhlmann

Am 1.Mai 1946 schlossen sich Borsdorfer Jugendliche zu einer Theater-Laienspielschar zusammen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten übernahm Christine Uhlmann die Leitung. Bei ihr zu Hause wurden Leseproben und Einzelgespräche geführt und der erste Erfolg stellte sich mit der Aufführung von Anzengrubers „Kreuzelschreiber“ ein. Mit dieser Bauernkomödie gelang mit einer sehr guten Kritik zu Schauspiel, Jugend der Darsteller, Bühnenbild, Beleuchtung usw. der Sprung in die Leipziger Volkszeitung.

Bis auf wenige Ausnahmen fanden alle Vorführungen im Saal des „Kaffeebaum“ statt, teilweise vor öffentlichen Tanzveranstaltungen. Als nächstes wagte man sich an Gogols „Revisor“ und anschließend an „ Die deutschen Kleinstädter“ von August Kotzebue. Bei der zweiten Aufführung am 7.9.47 fiel der Strom aus – damals keine Seltenheit. Das Stück wurde bei Kerzenschein erfolgreich zu Ende gespielt. Wieder erfolgte eine Rezension in der LVZ mit höchstem Lob für die gesamte Darbietung. – Durch das ständige Anwachsen der Teilnehmerzahl wurde die Teilung der Gruppe gewagt. Zeitgleich wurde Anzengrubers „G´wissenswurm“ (Regie Thomas Uhlmann) und das äußerst anspruchsvolle „Pygmalion“ von G.B.Shaw (Regie Christine Uhlmann), heute als „My fair Lady“ besser bekannt, einstudiert. Als Maskenbildner wirkte ab diesem Zeitpunkt der Chefmaskenbildner Friedrich Möbius von der Leipziger Operette. “Pygmalion“ wurde ein großer Erfolg, bei dem besonders die Hauptdarsteller Inge Ulitzka (Eliza) und Hans Große (Doolittle)brillierten.

Die Gruppe nach der Aufführung des „Pygmalion“
Hans Große als Mr. Doolittle

Hans Große wurde außerordentliches Talent in der LVZ-Kritik bescheinigt und empfohlen, dieses fachlich weiter zu entwickeln. Auch seine späteren Rollen im „Weißen Rössl“, im Weihnachtsstück „Der kleine Butzemann“ oder in Curt Götz „Der Lügner und die Nonne“ fanden großen Beifall.

Die Jugendlichen hatten bei Proben und Aufführungen viel Spaß und etliche lustige Episoden können in der angegebenen Quelle nachgelesen werden.

Zu einer Schulentlassungsfeier führten die Laienspieler Erich Kästners „Emil und die Detektive“ auf. Dieses Stück hatte zwei besondere Höhepunkte: Hans Große, der als Schutzmann gekonnt den legendären Borsdorfer Schutzmann Haberkorn zur Freude aller imitierte und die Verfolgung des Diebes Grundeis-Müller-Kießling durch die Berliner Kinder. Diese wurde von der Bühne in den Zuschauersaal verlegt. Die Zuschauer-Kinder tobten, standen auf den Stühlen und schrien vor Begeisterung. Sie waren durch die Lehrer nicht zu beruhigen. Eine zweite Aufführung wurde in Grimma im Volkshaus gegeben. Beim Transport von Darstellern und Material half Fleischermeister Berneck mit seinem Viehhänger aus. Ganz anderer Art war das Kriminalstück „Prozess Mary Dugan“, ein Dreiakter bei dem die Spannung unter den Zuschauern direkt zu spüren war. Dann wieder ein Bauernstück: “Wenn der Hahn kräht“. Eine besondere Ausnahme bildete das Indianerstück „Tatanka“. Es handelte vom Niedergang der Indianer Nordamerikas im 19. Jahrhundert. Die erste Aufführung fand bei Dunkelheit auf der Naturbühne „Eichelwiese“ am alten Schwanenteich bei Beleuchtung durch zwei Lagerfeuer statt. Das Stück wurde im Panitzscher Park wiederholt – ebenfalls im Dunkeln mit Lagerfeuern. Bei der Genehmigungserteilung wurden zwei Karten für die Polizei eingefordert.

Ursprünglich trat die Laienspielgruppe als Gruppe der FDJ auf. Aber Vertreter der SED-Kreisleitung und des Rates des Kreises Grimma tauchten immer häufiger bei der Leiterin auf und forderten die Aufführung „zeitgemäßer“ Stücke. Daraufhin kam es am 1. Juli 1949 zur Unterstellung des Ensembles unter die Deutsche Volksbühne mit der Bezeichnung „Junge Bühne Borsdorf“. Alle Ausgaben für Kostüme, Bühnenbild, Maskenbildner usw. wurden von den Jugendlichen selbst getragen. Die Dankbarkeit der Borsdorfer Bevölkerung fand ihren Niederschlag in ständig ausverkauften Vorstellungen und in zahlreichen ermutigenden Zuschriften. Der politische Druck aber wurde immer stärker. Schließlich wurde ultimativ Anschluss und Unterstellung an einen Produktionsbetrieb verlangt. Von einem Abweichen des selbst gewählten Weges und Einflussnahme von außen wollte in einer Befragung durch die Leiterin keiner der Gruppe etwas wissen. In einem in rüdem Tonfall gehaltenen Brief wurde am 17.April 1953 Christine Uhlmann die Auflösung der Gruppe mitgeteilt – Mobiliar und Vermögen beschlagnahmt. Alle in Betracht kommenden Behörden wurden über das Auftritts-Verbot informiert. Die Kreisvolkspolizei wurde mit der Kontrolle und Durchsetzung beauftragt. Der Brief endet mit dem drohenden Hinweis, dass eine Weiterarbeit als illegale Arbeit betrachtet wird. Die Leistungen der Theatergruppe und ihrer Leiterin waren aber innerhalb der Gemeinde nicht vergessen. Dreißig Jahre später erhielt Christine Uhlmann vom Bürgermeister Borsdorfs eine öffentliche Ehrung für ihr Wirken. Die Gruppe aber ist nie wieder aufgetreten und auseinander gelaufen.

Quelle: H. Große, Erinnerungen eines Laienspielers: Vor Ort 6/92 – 4/93 Bilder und Programme Archiv L. Uhlmann

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