Die Dampfschneidemühle Baessler & Bomnitz Leipzig und Borsdorf

Briefkopf mit Angabe der ersten Telefonnummer in Leipzig von 1894

Am 1. Juli 1840 gründeten die Leipziger Bürger und Kaufleute Adolph Moritz Baessler und August Wilhelm Bomnitz einen „Holz- und Productenhandel“ am ersten Dresdner Bahnhof in Leipzig, einem Holzbau. Die Lage des Geschäftes an der Mittelstraße (heute Hans-Poeche-Str.) direkt an den Gleisen der ersten deutschen Fernbahnstrecke Leipzig-Dresden von 1839 ermöglichte die Anlieferung von Bauholz mit der Eisenbahn. Damals gab es nach englischem Vorbild Linksverkehr bis 1884 und vor dem Bahnhof eine Drehscheibe für das Umsetzen von Lok und Wagen auf das nördliche Gleis.

Das Geschäft lief sehr gut, so dass man schon vier Jahre später ein Mühlengebäude mit einer Vertikal-Gattersäge für Baumstämme errichten konnte. Für den Antrieb der Säge lieferte die Maschinenfabrik Harkort jun. in Wetter an der Ruhr eine Dampfmaschine mit Kessel. Diese war 1844 die erste Dampfschneidemühle im Königreich Sachsen und fand die entsprechende Beachtung.

Die Baumstämme kamen meist aus böhmischen Wäldern vom Holzlager Plan (heute Planá nad Lužnici). Diese wurden in den Sommermonaten über Moldau und Elbe bis zum Anlandeplatz Riesa geflößt. Die Flößerei war die althergebrachte Weise für den Transport schwerer Stämme und wurde in Planá noch bis 1946 betrieben. In Riesa erfolgte die Verladung auf Eisenbahnwagen und der Transport nach Leipzig.

Am 22. September 1856 brannte das hölzerne Mühlenhaus in Leipzig bis auf die Grundmauern nieder. Da ohnehin eine Erweiterung des Geländes geplant war, erwarb man von Hedwig von Eberstein vom Rittergut Schönefeld ein großes Grundstück nördlich der Bahnlinie (an der Gabelung der heutigen R.-Luxemburg-Str./Eisenbahnstraße) für einen zweiten Standort. Hier entstanden ab 1857 zwei Mühlengebäude mit je fünf Gattersägen, angetrieben von Dampfmaschinen, und ein Holzplatz. Es gab einen großen Bedarf für Bauholz aller Art für für den Hausbau in Leipzig und der weiteren Umgebung.

Die Stadt Leipzig erweiterte sich in alle Richtungen und beanspruchte nun auch das Areal der Firma, das inzwischen seit 1881 zur Gemeinde Neustadt bei Leipzig gehörte. Somit musste die Firma einen dritten, wiederum größeren, Standort suchen. Der nach dem Tode der beiden Gründer alleinige Firmeninhaber Rudolf Gnüchtel fand in Borsdorf am Steinweg neben der Bahnlinie ein großes Grundstück. Der Zivilingenieur C. Lüders, Leipzig, wurde mit der Projektierung beauftragt. Der Plan sah ein modernes, weitgehend autark arbeitendes Werk vor, das bereits mit Generatoren für eine elektrische Beleuchtung ausgerüstet werden sollte.

Im Juni 1889 war der Abbruch der Bauten in Neustadt mit der Sprengung der beiden Fabrikschornsteine, jeder ca. 50 Meter hoch, beendet. Diese sorgte damals für großes Aufsehen unter der Stadtbevölkerung. Gleich danach begann der Bau von Straßen und Häusern – das heutige Neustadt-Neuschönefeld entstand. In Leipzig verblieb eine Holzhandlung an der Äußeren Tauchaer Str., später Althner Str.

Im Sommer 1888 begann in Borsdorf der Neubau des Werkes am Steinweg. Es war eines der größten in Deutschland. Wegen der hohen Brandgefahr wurden zwei separate Mühlengebäude mit je sechs Gattersägen errichtet. Diese waren verbunden durch ein Mittelgebäude mit zwei Dampfmaschinen. Das Wasser für die Dampfkessel kam aus eigenem Brunnen, gefeuert wurde hauptsächlich mit Holzabfällen und Sägespänen. Dazu kamen Kontorhaus, Pförtnerhaus, Pferdestall und weitere Nebengebäude. Über ein Anschlussgleis vom Bahnhof Borsdorf wurden die Baumstämme angeliefert und auf dem Holzplatz am Steinweg gelagert.

Eine schmalspurige Pferdebahn transportierte die Stämme vom Holzplatz bis vor die Gattersägen. Die fertig geschnittenen Balken, Bretter, Leisten und Dachlatten lieferte man per Bahn oder mit Pferdefuhrwerken aus.

Das Richtfest war im November 1888, die Einweihung erfolgte im Mai 1889. Die Schneidemühle produzierte jetzt erfolgreich mit etwa 150 Holzhofarbeitern.

Werksansicht in graphischer Darstellung

Ein Jahr später, 1890, bestand die Firma 50 Jahre und feierte dieses Jubiläum im geschmückten Saal des „Rosenschlösschen“ im Ort, dabei wurde auch ein Hoch auf den sächsischen König ausgebracht. Anlässlich des Firmen-Jubiläums und seines erfolgreichen Wirkens war Rudolf Gnüchtel im selben Jahr zum „Königlich-Sächsischen Kommerzienrath“ ernannt worden.

Ansicht des Sägeraumes

Als Rudolf Gnüchtel sen. sechs Jahre später starb, übernahm sein Sohn Rudolf 1896 die Firmenleitung. Am 30. Oktober 1908 kam es zu einem Brand in einem der beiden Mühlengebäude. Die anderen Gebäude blieben unversehrt und es konnte weiter gearbeitet werden. Das völlig ausgebrannte Gebäude wurde wieder aufgebaut.

Als Rudolf Gnüchtel 1930 starb, wurde seine Urne im Hausgarten am Steinweg bestattet und 1942 im Erbgrab der Familie auf dem Neuen Johannisfriedhof in Leipzig beigesetzt. Das Erbgrab gibt es nicht mehr, der bedeutende Friedhof ist um 1970 flächig eingeebnet und die Grabsteine zu einem Hügel gehäuft worden.

Nun führten sein Bruder Alfred und seine Witwe, Frau Elsa Gnüchtel, das Sägewerk weiter, das in der Folge in die allgemeinen Turbulenzen der Weltwirtschaftskrise geriet. Wohl auch Veruntreuungen und andere Unregelmäßigkeiten führten dazu, dass das Werk 1931 in Liquidation kam und 1944 im Handelsregister Grimma gelöscht wurde.

Weitergeführt wurde aber die Holzhandlung in Leipzig C1, Althner Straße 11 (heute Mecklenburger Str.) als „Baessler & Bomnitz Nachf.“ bis etwa 1962, das Holzlager war gegenüber auf dem Listplatz. Das große Firmenschild war noch bis Anfang der 1970er Jahre sichtbar. Eine PGH folgte und übernahm zweimal im Jahr den Verkauf von Holz für den Bevölkerungsbedarf. Dieses war sehr begehrt, die Interessenten fanden sich schon am Vorabend mit Stuhl, Decke und Verpflegung ein. Das Gebäude ist seit Juli 2016 abgerissen und an dieser Stelle steht heute der Konsum Listplatz.

In die leerstehenden Borsdorfer Firmengebäude zog etwa ab 1935 die Union GmbH, Elektrotechnische Spezialartikel und nach deren Demontage 1946 die Firmen Sester, Maschinenbau und Thate, Lederwarenfabrik, ein. Der Fischhandel Albrecht ist ab 1939 bis in die 1950er Jahre nachweisbar, bevor er in die Bahnhofstraße 13 umzog. Das ehemalige Pförtnerhaus am Bahndamm war bis zum Abriss ein Lithografiebüro.

Nach wiederum längerem Leerstand richtete sich ab 1963 die Betriebsberufsschule (Lehrwerk) des VEB Elektroschaltgeräte Grimma, Werk Borsdorf, ein, die bis 1989 bestand.

Nach der Wende übernahm die Handwerkskammer Leipzig das Gelände und errichtete bis 1996 die Neubauten des Bildungs- und Technologiezentrums. Diese prägen heute das Bild am Steinweg.

Die letzten Gebäude des alten Sägewerkes sind bis zum Jahr 2000 abgerissen worden, der Holzplatz ist schon seit den 1930er Jahren überbaut und das Anschlussgleis demontiert.

Einzig das ehemalige Bürogebäude am Steinweg, ein Klinkerbau, und der Schneidemühlenweg erinnern an dieses bedeutende Sägewerk, das etwa 100 Jahre Bestand hatte.

Detlef Kupfer, Heimatverein Borsdorf e.V., 3. Januar 2023

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