Zweenfurths Dorfhirten, Nachtwächter und Gemeindediener
Es sind am Ende die kleinen Geschichten, die das Dorfleben aus längst vergangenen Tagen für nachfolgende Generationen am verständlichsten beschreiben und so in Erinnerung halten. Das im Eigenverlag M. Schütze gestaltete Heft “Liebe Leute, lasst euch sagen“ enthält Lesenswertes über Zweenfurths 40 Dorfhirten, 21 Nachtwächter und 8 Gemeindediener, deren Arbeit gewürdigt werden soll. Wer kann sich denn heute noch vorstellen, wie es damals war, als der Dorfhirte tagtäglich das Vieh von den Bauern abholte, auf die Weide trieb, beaufsichtigte und abends wieder unversehrt, satt und zufrieden zu seinen Besitzern zurückbrachte. Aus Kirchenbüchern wissen wir, dass in den Jahren 1507 bis 1521 im Zweenfurther Bauerndorf noch Waldweide betrieben wurde und das Hüten des Viehs in der Verantwortung von Huth-Männern lag, so wie es jahrhundertelang Tradition war. Ab etwa 1600 wurde das Vieh auf dem Dorfanger (“Gänseanger“) oder einer nahegelegenen Weidewiese gehütet, der “Allmende“ als gemeinsames Eigentum aller Bauern. Der Dorfhirte wohnte im Zweenfurther Hirtenhause, was nach dem Dorfbrand von 1753 wiedererrichtet wurde und uns heute noch als ältestes Fachwerkhaus im Ort erhalten ist. Doch 1832 hat der Staat diesen Berufsstand aufgelöst, weil die Veterinärmedizin das gemeinsame Weiden von Vieh wegen der Seuchenausbreitung untersagt. Die Bauern mussten sich nun selbst um Ihr Vieh kümmern. Es schlug die Stunde der Gemeindediener, die gleichzeitig Nachtwächter im Dorfe waren. Und so erfährt der Leser sehr persönliche Episoden und Erinnerungen des Urenkels vom langjährigen Gemeindediener Karl Birnbaum (1872-1964). 1912 hatte er einen Arbeitsvertrag mit 19 Paragraphen unterschrieben, in dem alle Dienstaufgaben geregelt waren, die er gewissenhaft erfüllte. Darüber wird im Einzelnen berichtet, umrahmt von 13 inhaltsreichen Strophen des Nachtwächterliedes, die stündlich auf den nächtlichen Touren vorzutragen waren. Nach 26 Dienstjahren wurde Karl 1938 vom Bürgermeister und dem Zweenfurther Männergesangverein mit dem Lied vom Feierabend in den Ruhestand versetzt. Noch im hohen Alter von über 90 Jahren zog es ihn immer mal wieder zum Rittergut Ammelshain, dorthin, wo er als Knecht und Stallbursche hart zu arbeiten gelernt hatte. Doch Weg von den Gemeindehäusern Ortsausgang Zweenfurth zu Fuß über Wulfsen, Kleene Eeche und Ulwurzen war natürlich viel zu weit. Da hieß es “Fix, Matthias, Opa ist wieder mal ausgebüxt“. Auf ging es mit dem Fahrrad, und der Uropa wurde zurückgebracht. In der Wohnung angekommen, holte seine Frau Linne aus der Kredenz eine Flasche raus – ‘nen Eierlikör. Den trank er gerne. Und sie war glücklich, ihren alten Karl wieder bei sich zu haben.